KUNSTVEREIN
LUDWIGSHAFEN
13.4. – 15.6.2024

Eva Gentner /
Christopher Amm /
Adrian Nagel:
"Stattdessen wählten sie Katze, das beste, was im Laden zu finden war, ein Katzenfell, das man von weitem stets für Marder halten konnte."


Eine Kooperation gefördert durch INITIAL2.
Ein Programm der Akademie der Künste Berlin.

Der Kunstverein Ludwigshafen zeigte im Rahmen des Deltabeben die Ausstellung „Stattdessen wählten sie Katze, das beste, was im Laden zu finden war, ein Katzenfell, das man von weitem stets für Marder halten konnte.“, ein Kooperationsprojekt des Berliner Künstlers Christopher Amm, der Mannheimer Künstlerin Eva Gentner und dem Münchner Komponisten Adrian Nagel. Die Gruppe beschäftigt sich mit dem Thema des Vagen und Unbestimmten. Im Fokus ihrer Recherche stehen dabei Phänomene wie Störungen und Täuschungen der Wahrnehmung, Hintergrundrauschen und sinnliche Reize, die ausgeblendet werden, weil sie vermeintlich keine Information bergen sowie atmosphärisches Wahrnehmen. Dabei gilt es herauszufinden, welche Rolle das Chaotische und Unbestimmte in den Ordnungs- und Erklärungsversuchen unserer Gesellschaften einnimmt und welchen Raum diese „dem Vagen” einzuräumen vermag. Die Ausstellung zeigt die jüngst entstandenen Arbeiten der drei – darunter Zeichnungen, Objekte, Klanginstallationen sowie Videos und Texte.

Biografien Christopher Amm (*1992) lebt und arbeitet in Berlin. Er studierte in Karlsruhe bei Helmut Dorner und in Neapel sowie bei Mark Lammert an der UdK Berlin, wo er von 2021-22 einen Lehrauftrag für Malerei innehatte. Amm erhielt zahlreiche Preise und Stipendien, darunter den Hans-Thoma-Preis.
www.christopher-amm.de

Eva Gentner (*1992) studierte Bildende Kunst in Karlsruhe (ebenso bei Helmut Dorner) und erhielt seit Ende des Studiums zahlreiche Preise und Stipendien. Zuletzt waren ihre Zeichnungen in der Kunsthalle Mannheim in der Ausstellung „1,5 Grad” zu sehen. Ab diesem Jahr unterrichtet Eva Gentner im Lehrauftrag an der Kunstakademie Karlsruhe. Sie lebt und arbeitet in Mannheim.

Adrian Nagel (*1990) studierte Komposition und Musiktheorie in Dresden, Basel und Freiburg bei Mark Andre, José M. Sánchez-Verdú, Caspar Johannes Walter und Felix Diergarten. Derzeit promoviert er an der Hochschule für Musik Freiburg. 2019 war er u.a. Preisträger des Kompositionswettbewerbs „ad libitum” des Netzwerks Neue Musik Baden-Württemberg. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit unterrichtet er an der HfMDK Frankfurt. Er lebt und arbeitet in München.
www.adriannagel.de

Die Gruppe erhielt im Jahr 2022 für ihre Kooperation ein Sonder- stipendium (INITIAL2) der Akademie der Künste in Berlin.

Texte zu den einzelnen Kunstwerken
Passagengeräusch, 2024
Mikrofon, Max/MSP Patch, Lautsprecher

Das alltägliche Treiben in einer Einkaufspassage ist immer das gleiche und hört sich doch stets anders an. Die Geräuschkulisse der Rhein-Galerie wird zu einem Teil der Ausstellung, indem sie am Eingang des Kunstvereins von einem Mikrofon aufgenommen und im Rauminneren wiedergegeben wird. Dabei werden verschiedene Zeitschichten überlagert: Gegenwart, jüngste und ältere Vergangenheit rücken nah aneinander.
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Köpfe, 2024
12 Zeichnungen (gerahmt)
40 x 30 cm

Das “Paradox des Kahlköpfigen” stammt von Eubulides (4. Jh. v. Chr.). Es besteht in der Frage: Wie viele Haare muss man jemandem ausziehen, damit er kahlköpfig wird? Während es beispielsweise Menschen gibt, die eindeutig glatzköpfig sind, und andere, die das eindeutig nicht sind, gibt es viele dazwischen, die man je nach Kontext oder sonstigen Umständen als das eine oder das andere bezeichnen könnte.
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Mayablau, 2023/24
Indigo-Farbstoff, Indigoblätter, Palygorskit (Silikat) gebrannt
Maße variabel

Farbe kann unbestimmte, bestimmte, als auch bestimmende Eigenschaften aufweisen, sowohl auf begrifflicher als auch auf materieller Ebene. In der Malerei unterliegt sie oft chemischen Veränderungen und Umwandlungsprozessen. Wird eine Farbe benannt oder beschrieben, bleiben unscharfe Ränder der Begriffe. Diese Objekte sind Teil einer Recherche zu Farbwahrnehmung und -erzeugung. Die Mesoamerikanischen Kulturen stellten ein Pigment aus natürlichem Indigo-Farbstoff und Silikaten her, das je nach Zusammensetzung und Brenndauer Himmelblau oder Türkis, mittlere Tonwerte sowie dunkle und tiefe Blau- und Grüntöne ergibt. Die Gegenüberstellung der Klumpen und damit einzelner Farbbereiche im Raum befasst sich mit der Wahrnehm- und Darstellbarkeit von Grenzen und Übergängen innerhalb dieses Farbspektrums.
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Snow, 2024
Videoloop
Projektion auf Baumwoll-Mousselin

“Bildrauschen” beschreibt ein Phänomen der digitalen Bilderzeugung.
Ein einfaches digitales Bild besteht aus Millionen Pixeln, die jeweils eine eigene bestimmte Farbinformation übermitteln. Verschiedene Faktoren, wie Strahlung, Verwirbelungen, Wassertropfen, Datenübertragungs- und Rechenfehler sowie die Physis der Sensoren, Bauteile und Leiter führen zu einer Abweichung vom erwünschten Erscheinungsbild.
Rauschen ist das Gegenteil von Information. Es ist nicht entzifferbar. Rauschen ist Unordnung und Chaos.
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Und Gärten mit Trauben, und die Olive und den Granatapfel – einander ähnlich und unähnlich, 2024
Baumwolle (gefärbt mit Granatapfelschalen), Eisenstifte
Maße variabel

Die Schalen des Granatapfels wurden bereits in der Antike zur Färbung von Textilien verwendet, u. a. im Mittelmeerraum, in Mesopotamien, Indien und Zentralasien. Durch die in den Schalen enthaltenen Tannine kommen brillante und beständige Färbungen zustande. Entscheidend für Farbtiefe und Nuance sind nicht nur die Temperatur und Dauer des Färbebads, sondern auch die Sorte und der Reifegrad der jeweils verwendeten Früchte. Jede der ausgestellten Stoffbahnen wurde jeweils mit der Schale eines Granatapfels gefärbt.
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Heliumorgel, 2023/24
Orgelpfeifen, Glasglocke, Gebläse

Musikinstrumente, deren Klang durch direkte Schwingungsanregung von Luft erzeugt wird, werden Aerophone genannt. Dazu gehören Blech- und Holzblasinstrumente, wie die Trompete oder Flöte, aber auch Tasteninstrumente, wie das Akkordeon oder die Orgel. Die Tonhöhe und die Klangfarbe der Instrumente werden durch das Material, die Größe und die Bauart bestimmt.
Im hinteren Kabinett des Kunstvereins erklingen vier baugleiche Orgelpfeifen. Deren Ton entsteht durch einen konstanten Luftstrom aus dem Inneren des Sockels. Durch Glasglocken abgeschirmt, klingen die Pfeifen wie aus weiter Ferne, und immer in derselben Luft – einem Luft-/Heliumgemisch, das sich im Laufe der Ausstellung langsam verflüchtigt. Durch das Helium ändert sich die Dichte des Luftgemisches und die Orgelpfeifen erklingen, trotz gleicher Bauart, in unterschiedlichen und unkontrolliert veränderten Tonlagen.
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Pauses in Putin's Presidential Address to the Federal Assembly at 21/02/2023, 2023
Stereo-Soundfile, 16 min.

Im Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Ein Jahr danach rechtfertigte Wladimir Putin den Krieg in einer inszenierten Rede vor der russischen Föderalversammlung am Dienstag, den 21. Februar 2023. Im hinteren Teil der Ausstellung bringt eine Klanginstallation Putin zum Schweigen. Nur die Atempausen seiner Rede sind noch zu hören.
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Webarchiv
“www.…/quotesonvagueness.html”: Die Webseite sammelt verschiedene Zitate zum Thema des Unbestimmten aus literarischen und wissenschaftlichen Texten. In der Ausstellung liegt die Sammlung auch als Broschüre aus.

Ausstellungstext
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Webarchiv "Quotes on Vagueness" Die Webseite sammelt verschiedene Zitate zum Thema des Unbestimmten aus literarischen und wissenschaftlichen Texten. Bei jedem "Neu-Laden" der Seite erscheint per Zufallsgenerator ein anderes Zitat:

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Fotos: Marco Vedana